Japans Spitzensport hat ein Auge auf Ochsenhausen geworfen

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Vor Kurzem weilte eine hochrangige japanische Delegation mehrere Tag in Ochsenhausen. Sie bestand aus sechs führenden Sportfunktionären des Landes, die für das Japan Sport Council tätig sind, eine Art Spitzenorganisation des japanischen Sports, die zurzeit unter Hochdruck die Weichen für die Olympischen Spiele in vier Jahren in Tokio zu stellen bestrebt ist. Das Sports Council arbeitet stärker im Hintergrund beziehungsweise mehr auf informeller Ebene als etwa vergleichbare deutsche oder europäische Organisationen des Spitzensports, dafür äußerst effektiv und fachlich auf ganz hohem Niveau.

Mit dabei war mit Takashi Watanabe, Coaching Director des National Training Center (NTC) und Head Coach der Boy’s JOC Elite Academy, auch einer der wichtigsten Repräsentanten des Spitzensports in Japan, ein Mann von hohem Bekanntheitsgrad, der nicht nur in Japan einen vorzüglichen Ruf besitzt.

Die Japaner – höflich und hoch interessiert, wie man es von den Eliten dieses Landes kennt – haben sich die Trainingsabläufe im Liebherr Masters College genau angeschaut und einem Bundesliga-Heimspiel des aktuellen Tabellenzweiten der stärksten Liga Europas beigewohnt. Auch wenn Ostasiaten traditionell nicht alles enthüllen, was in ihnen vorgeht, hat man ihnen doch angemerkt, dass sie beeindruckt waren von den professionellen Abläufen in der süddeutschen Tischtennis-Hauptstadt und auch vom Zusammenleben und Gruppenverhalten der jungen Topsportler.

Da das LMC inzwischen sehr gute Beziehungen zum japanischen Tischtennisverband aufgebaut hat, der Interesse signalisiert hat, künftig verstärkt außergewöhnliche Talente in Ochsenhausen ausbilden zu lassen, ist das Urteil der Delegation des Japan Sport Council auch insofern bedeutsam, als diese Organisation entsprechende Mittel für solche Vorhaben bewilligt, sofern sie von deren Sinnhaftigkeit überzeugt ist. Und genau dies scheint der Fall zu sein.

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Wir haben ein Interview geführt mit Yumi Nomura, Leitende Koordinatorin des High Performance Centers des Departments of Sport Innovation im Japan Sport Council, eine noch recht junge Frau, die Begeisterung ausstrahlt wenn sie über den japanischen Spitzensport und die Olympischen Spiele in Tokio 2020 spricht.

Frau Nomura, welches sind die wichtigsten Aktivitäten des Departments, das Sie vertreten:

“Wir haben eine Reihe von Aufgaben, die den Spitzensport in Japan und dessen Evaluierung betreffen. Im Augenblick steht aber die Vorbereitung der Olympischen Spiele im Mittelpunkt unserer Tätigkeit. Auch die Vorbereitung der Paralympics ist in unserem Fokus. Diese Spiele sollen etwas ganz Besonderes werden und wir wollen die besten und aussichtsreichsten japanischen Sportler in Hinblick auf Tokio 2020 so unterstützen und fördern, dass sie die Chance haben, bei den Spielen erfolgreich abzuschneiden und möglichst Medaillen für unser Land zu holen.”

Nun waren Sie einige Tage zu Gast in Ochsenhausen. Hand aufs Herz, war Ihnen Ochsenhausen auch vorher schon ein Begriff?

“Ich hatte von Ihrer Stadt schon gehört, weil wir ja sehr aufmerksam verfolgen, wo die Spitzensportler und die größten Talente unseres Landes leben und trainieren, denn wir können sie nur gut fördern, wenn wir ihre Entwicklung genau beobachten. Und da Yuto Muramatsu hier der Trainingsgruppe und dem Liebherr Masters College angehört und für eines der besten deutschen Tischtennis-Teams spielt, war uns Ochsenhausen schon ein Begriff.”

Sie kommen aus der Weltstadt Tokio, war das kleine, beschauliche Ochsenhausen da für Sie nicht ein mittlerer Kulturschock?

“Überhaupt nicht, außerdem hatten wir uns ja vorher gut über Ochsenhausen informiert und haben auch vom Verein und dem College alle Informationen erhalten, die wir uns gewünscht haben. Auch Japan hat ja ländliche Bereiche und besteht nicht nur aus Millionenstädten. Und wenn man gezielt auf etwas hinarbeiten will, ist es sicher von Vorteil, wenn es etwas ruhiger und abgelegener ist. Gerade junge Menschen verlieren ja mitunter ihr Ziel etwas aus den Augen, wenn sie zu viel Ablenkung haben. Ochsenhausen ist eine sehr schön gelegene Stadt und wir konnten sogar von weitem die Berge sehen. Es macht alles einen sehr sauberen, gut geordneten Eindruck und wir sind nur freundlichen Menschen begegnet. Es lohnt sich sicher, nach Ochsenhausen zu kommen, selbst wenn man nichts mit dem Leistungssport zu tun hat. Aber in unserem besonderen Fall natürlich noch viel mehr.”

Hatten Sie persönlich schon vorher mit Top-Tischtennis zu tun oder ist das ein neues Gebiet für Sie?

“Ich muss ehrlich zugeben, dass ich vom Tischtennissport keine Ahnung hatte, als ich beim Japan Sports Council anfing. Inzwischen habe ich aber doch einiges über diesen faszinierenden Sport gelernt, der bei uns in Japan traditionell ein sehr gutes Standing hat. Wir haben eine Reihe guter und talentierter junger Spieler und Spielerinnen wie Jun Mizutani, Koki Niwa, Mima Ito, Miu Hirano und viele mehr, die auf internationalen Turnieren regelmäßig gute Erfolge erzielen. Yuto Muramatsu zählt natürlich auch dazu. Wir fördern besonders die absolute Spitze und wollen die Weichen dafür stellen, dass diese Sportler 2020 gute Chancen auf Medaillen besitzen. Wir werden für einige Wochen im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen und wollen uns als guter, professioneller und erfolgreicher Gastgeber zeigen.”

Hat Sie der Aufenthalt in Ochsenhausen weitergebracht?

“Aber ja! Es war sehr gut und hat uns weitergebracht, dass wir hier sein durften. Wir haben in Ochsenhausen Erkenntnisse über Tischtennis auf Weltniveau aber auch generell über die Betreuung von jungen Spitzensportlern und vielversprechenden Talenten gewonnen, die wir zu Hause in unsere Arbeit einfließen lassen können. Wir möchten uns ausdrücklich für die große Gastfreundschaft bedanken, die man uns hier entgegengebracht hat, und die Offenheit, mit der man unsere vielen Fragen überzeugend beantwortet hat. Wir sind uns sicher, dass ein ambitionierter junger Tischtennisspieler wie Yuto Muramatsu und vielleicht in Zukunft auch weitere Spieler und Talente aus unserem Land hier gut aufgehoben sind und sehr professionell gefördert werden.”